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Schweiz: Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer und rechtliche Handlungsmöglichkeiten

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Beinahe täglich wird das Regime zum Schutz der Bevölkerung vor der Coronavirus-Epidemie verschärft. Dies hat einen massiven Einfluss auf die Wirtschaft. Viele Unternehmen, aber auch Arbeitnehmende fragen sich dabei, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen. Der vorliegende Beitrag vermittelt einen kurzen Überblick nach Schweizer Recht, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit: ​

 Arbeitsrecht im weiteren Sinn:

​Kurzarbeit

Unter den Rahmenbedingungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) sind Unternehmen möglicherweise berechtigt, Kurzarbeit einzuführen, sofern die betroffenen Mitarbeiter zustimmen. Zuständig für die Anmeldung sind die Amtsstellen der Kantone, in welchen sich der Betrieb befindet. Antragsstellende Unternehmen müssen dabei insbesondere glaubhaft darlegen, weshalb ihnen aufgrund der Epidemie Arbeiten ausfallen. Dies dürfte v.a. bei Unternehmen, welche von staatlich angeordneten Schliessungen oder von Einfuhr- oder Ausfuhrbeschränkungen betroffen sind, i.d.R. zu begründen sein. Während die Prüfung eines Gesuchs normalerweise bis zu 10 Tage in Anspruch nimmt, wurde von den zuständigen Behörden eine unkomplizierte Gesuchsprüfung innert 24h in Aussicht gestellt. Zudem wurde die Karenzfrist per sofort auf 1 Tag reduziert. Das heisst, dass Unternehmen so nur den Arbeitsausfall von 1 Tag selbstständig zu tragen haben, bevor die Unterstützung durch die Arbeitslosenversicherung eintritt.

 

Homeoffice 

Auch wenn Arbeitsverträge feste Arbeitsorte vorsehen und im Arbeitsvertrag keine Mobilitätsklausel enthalten ist, ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers im Falle des Coronavirus so weit zu fassen, dass dieser einseitig für eine gewisse Zeit Homeoffice anordnen kann. Auf der anderen Seite dürfen gesunde Mitarbeiter aus Angst vor einer Ansteckung grundsätzlich nicht von sich aus der Arbeit fernbleiben. Tun sie dies trotzdem, haben sie keinen Anspruch auf Lohn und müssen sie mit disziplinarischen Massnahmen rechnen. Dies gilt jedoch nur so lange, als es sich hierbei nicht um besonders gefährdete Personen handelt und der Arbeitgeber sämtliche zumutbaren Schutzmassnahmen getroffen hat. Hat es im Betrieb bereits einen Coronavirus-Verdachtsfall gegeben, ist eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen.

 

Zwangsferien

Wenn vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, darf der Arbeitgeber grundsätzlich den Zeitpunkt der Ferien bestimmen. Dabei hat er aber auf die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Setzt der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien fest, so hat er dies genügend weit im Voraus anzukündigen, wobei eine Ankündigungsfrist von mindestens drei Monaten gilt. Ob in dringlichen Fällen wirtschaftlicher Notlage wie etwas aufgrund der Coronavirus-Epidemie kurzfristig Zwangsferien angeordnet werden dürfe, ist umstritten. Allgemein wird jedoch davon ausgegangen, dass auch hier die dreimonatige Ankündigungsfrist zu beachten ist. Ebenfalls nicht abschliessen geklärt ist, ob eine betriebliche Notwendigkeit für sofortige Zwangsferien damit begründet werden kann, andere Mitarbeiter vor eine Ansteckung zu schützen. Dies ist im Einzelfall genauer zu prüfen.

 

Anordnung von Überstunden

Auch in einem Epidemiefall gelten die Grundsätze zur Leistung von Überstunden/Überzeit weiter. Sofern es die konkreten Umstände erfordern und das Leisten von Mehrarbeit den Arbeitnehmern zumutbar ist, können solche Mehrleistungen verlangt werden. Im Falle eines grossflächigen Pandemieausbruchs muss mit dem Ausfall vieler Mitarbeitern gerechnet werden. In solchen Situationen erscheint das Leisten von Überstunden bzw. Überzeit als in den meisten Fällen gerechtfertigt, wobei auch hier auf die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen ist (Zumutbarkeit, persönliche Situation, Familienpflichten etc.).

 

Kompensation von Überstunden

Sollen Überstunden kompensiert, d.h. durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgeglichen, werden, erfordert dies zwingend das Einverständnis des Arbeitnehmers. Allfällige Vereinbarungen in dieser Hinsicht müssen daher genau geprüft werden.

 

Lohnfortzahlung bei Kinderbetreuung

Gemäss aktuellen Informationsstand bleiben die Schulen bis am 4. April 2020 geschlossen, wobei darauf im Kanton Zürich die Frühlingsferien folgen. Als Eltern darf man dabei zu Hause bleiben, weil die Kinderbetreuung eine gesetzliche Pflicht darstellt. Uneinigkeit besteht aber darüber, ob der Arbeitgeber während dieser Zeit den Lohn schuldet. Das Seco beantwortet diese Frage eindeutig mit "ja": Wer wegen der Schulschliessung und damit verbundener Betreuungsaufgaben an der Arbeitsleistung verhindert ist, dessen Lohn bleibt geschuldet. Die Eltern sind aber gehalten, weitere Absenzen bei geeigneter Organisation zu verhindern  - zum Beispiel, indem sie sich in der Betreuung abwechseln. Die Dauer der Lohnfortzahlung ist von der Anzahl der Dienstjahre abhängig. Im 1. Dienstjahr sind es nach Gesetz 3 Wochen. Dies würde gerade die Zeit der Schulschliessung abdecken.

  

Schutz vor klagen der Arbeitnehmer

Möglicherweise haftet der Arbeitgeber, wenn sich Arbeitnehmer in seinem Betrieb mit dem Coronavirus anstecken. So kommt dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Fürsorgepflicht zu. Ob er dieser genügend nachgekommen ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Ein Arbeitgeber dürfte jedenfalls dann haften, wenn er die behördlich vorgeschriebenen Schutzmassnahmen nicht umgesetzt hat.

Kündigung des Arbeitsverhältnisses

In der Schweiz gilt grundsätzlich die Kündigungsfreiheit. Dies bedeutet, dass Arbeitsverträge auch ohne Vorliegen eines besonderen Grundes unter Einhaltung der geltenden Fristen und Termine beendigt werden können. Handelt es sich dabei um eine sog. Massenentlassung, ist ein besonderes Verfahren zu durchlaufen. Zu beachten sind auch die verschiedenen gesetzlichen Sperrfristen, die etwa eine Kündigung während krankheitsbedingter Abwesenheit während einer bestimmten Dauer untersagen. Ausserordentliche fristlose Kündigungen einzig aufgrund der Coronavirus-Epidemie sind nicht zulässig.

 

Betriebsschliessung

Hier muss unterschieden werden zwischen behördlich angeordneten und "freiwilligen" Betriebsschliessungen. Liegt keine behördliche Anordnung vor ist der Arbeitgeber weiterhin verpflichtet, den betroffenen Arbeitnehmern den Lohn zu bezahlen und die Mitarbeiter schulden grundsätzlich keine Nachholung der ausgefallenen Tage. Wird der Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung geschlossen, sind die Rechtsfolgen nicht restlos geklärt. Oft wir argumentiert, dass eine epidemiebedingte behördliche Schliessung weder in die Risikosphäre des Arbeitgebers noch in diejenige des Arbeitnehmers fällt. Es wird von einer unverschuldeten Unmöglichkeit der Leistungserbringung beider Parteien gesprochen. Entsprechend dem Grundsatz "Lohn gegen Arbeit" würde dann auch die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers entfallen.

 Andere Verträge:

​Höhere Gewalt

Zum Teil enthalten Verträge Regelungen für den Fall höherer Gewalt, worunter Epidemien normalerweise fallen. Solche Klauseln können einerseits ein Verfahren vorsehen, welches die Vertragsparteien beachten müssen. So kann z.B. eine Pflicht bestehen, sich gegenseitig über die Auswirkungen der Epidemie auf die Vertragsleistung zu informieren. Andererseits ergeben sich aus den Bestimmungen die vertraglichen Rechtsfolgen aus der jetzigen Epidemie-Lage.

 

Allgemeines Obligationenrecht

Besteht keine spezifische vertragliche Regelung, kommt in der Schweiz das Obligationenrecht zur Anwendung. Je nach Konstellation ist eine vertragliche Leistung sog. objektiv unmöglich geworden (da z.B. Veranstaltungen verboten werden). Dies befreit in der Regel beide Parteien von der weiteren Leistungspflicht. Bereits bezahlte Vorschüsse sind zurückzuerstatten, wobei unter Umständen Aufwendungen, die dem Empfänger bereits entstanden sind, von der Rückerstattung abgezogen werden können. Ansprüche auf Schadenersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Verträgen, deren Ursache in der Epidemie liegt, dürften in der Regel wegen höherer Gewalt und fehlendem Verschulden nicht einklagbar sein.

Denkbar ist auch, dass die Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung zwar unmöglich geworden ist, das Festhalten am Vertrag aber zumindest von einer Seite aufgrund der sich verändernden Lage nicht mehr gewünscht wird. Auch hier sieht das Obligationenrecht Möglichkeiten vor, sich von eingegangenen Verpflichtungen zu lösen bzw. den Vertrag an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Anwendung der im Obligationenrecht enthaltenen allgemeinen Grundsätze auf die besondere Situation ist indes mit gewissen Unsicherheiten verbunden, was eine gründliche Prüfung des Einzelfalls unentbehrlich macht.

 Weitere Möglichkeiten für Unternehmen:

​Prüfung Versicherungsschutz

Leider haben die wenigsten Unternehmen in der Schweiz einen Epidemie-Schutz in der Betriebsausfallversicherung. Trotzdem lohnt es sich, die Police genau anzuschauen und zu prüfen, ob ggf. eine Deckung besteht.

 

Finanzielle Unterstützung

Für besonders betroffene Unternehmen prüft der Bundesrat eine finanzielle Unterstützung z.B. in Form von Liquiditätsüberbrückungen und Finanzhilfen. Die diesbezüglichen Modalitäten sollen bis zum 1. April 2020 geklärt sein.

 

Prüfung Nachlassstundung

Für Unternehmen, die aufgrund der Epidemie in einen existenziellen Liquiditätsengpass zu geraten drohen, steht unter Umständen das Instrument der provisorischen und dann der definitiven Nachlassstundung zu Verfügung. Bewilligt das zuständige Nachlassgericht eine solche Stundung, können gegen das Unternehmen einstweilen keine Betreibungen mehr eingeleitet oder zumindest fortgesetzt werden.

​Der vorliegende Beitrag ist informativer Natur und vermag eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht zu ersetzen. Gerne unterstützen wir Sie bei weiteren Abklärungen.

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